Gesundheit

Dorothee Kochskämper und Tabea Möller

Etwas mehr als 8,3 Millionen Menschen in Deutschland sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Das entspricht einem Anteil von 10 % der deutschen Gesamtbevölkerung. In dieser Altersphase werden entscheidende Grundlagen für eine gute Gesundheit im späteren Leben gelegt. Zugleich stellt das Jugend- und junge Erwachsenenalter eine entscheidende Entwicklungsphase dar und ist von umfassenden psychischen und physischen Veränderungen geprägt. Damit sind spezifische gesundheitliche Herausforderungen, Chancen und Risiken verbunden. Zudem stellt diese Alterspanne die Phase mit der geringsten Nutzung von Gesundheitsleistungen im Hinblick auf die gesamte Lebensspanne dar. Gesundheit kann in dieser Altersphase wesentlich gestaltet und beeinflusst werden. Es können z.B. Ressourcen aufgebaut werden, die im Hinblick auf den weiteren Lebensverlauf relevant sein können. Das Thema Gesundheit ist somit von besonderer Bedeutung im Hinblick auf das Jugend- und junge Erwachsenenalter (Rogge 2020).

Was verstehen wir unter „Gesundheit“?

Es gibt verschiedene Definitionen von „Gesundheit“. Frühere Definitionen sind von Gesundheit als Gegenteil von Krankheit geprägt. Heute wird im Vergleich von einem eher breiten Verständnis von Gesundheit ausgegangen. Eine weit verbreitete Definition ist die der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bei dieser wird von Gesundheit als ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlseins und nicht nur als die Abwesenheit von Krankheit ausgegangen (WHO 2020). Diese Definition entspricht einem Gesundheitsverständnis, das neben medizinisch-biologischen Aspekten auch psychische, soziale und ökologische Gesichtspunkte einbezieht. Demnach werden u.a. die folgenden Bereiche mitgedacht:

Die Definition der WHO soll im Weiteren als Grundlage dienen. Eine weitere Auseinandersetzung mit der Definition des Gesundheitsbegriffes finden Sie zudem hier.

Wohlbefinden – das Konzept des Well-Being

Grundsätzlich kann Wohlbefinden als positiver Zustand bezeichnet werden. Wohlbefinden ist ein mehrdimensionales Konstrukt, welches die Lebensqualität hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte wie Gesundheit, Bildung, materielle Situation, soziale Beziehungen, schulische oder berufliche Situation und Freizeit umfassen kann.

Wohlbefinden (auch unter dem engl. Begriff Well-Being bekannt) und Gesundheit sind sehr eng miteinander verflochten. Die Definitionen von Gesundheit und Wohlbefinden werden sowohl getrennt als auch miteinander vermischt beschrieben. Wohlbefinden ist ein Konzept, welches einer positiven Gesundheitsdefinition nahekommt.

Dem Wohlbefinden wird im Unterschied zur Gesundheit eine subjektive Dimension zugesprochen. Die eigene Wahrnehmung und die individuelle Einschätzung der eigenen Befindlichkeit werden dabei als besonders bedeutend angesehen (Hornberg 2016).

In der Kindheits- und Jugendforschung hat das Konzept des Wohlbefindens in den letzten Jahren immer stärkere Aufmerksamkeit gewonnen. So greifen unter anderem die World Vision Studien und die JuCo-Studien sowie der luxemburgische Jugendbericht das Konzept des Wohlbefindens auf. Auch die in Groß Britannien durchgeführte Erhebung im Kontext Leaving Care „Your Life Beyond Care survey” (2020) basiert auf dem Well-Being Konzept und veröffentlicht ihre Ergebnisse unter dem Titel „What makes life good: Care leavers`views on their well-being“ (2020).

Gesundheit und Gesundheitsförderung als Zukunftsthema

Gesundheit und Gesundheitsförderung ist eines der zentralen Zukunftsthemen. Die Gesundheit der kommenden Generationen ist entscheidend für die Zukunft der Gesellschaft.

Mit Blick auf das o.a. breite Verständnis von Gesundheit, muss ihre Förderung ganzheitlich gedacht werden. Dies erfordert eine bereichs- und rechtkreisübergreifende Zusammenarbeit. Dabei ist es wichtig, sowohl die Prävention zu verbessern und den Schutz vor Risiken zu stärken als auch aktiv auf gesundheitsförderndes Verhalten einzuwirken und gesunde Lebens- und Umweltbedingungen zu gestalten.

Die wesentlichen Aufgaben der gezielten Gesundheitsförderung sind im Gesundheitswesen verankert und sollten dort kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut werden. Es ist jedoch ebenso wichtig, diese Maßnahmen verstärkt in die für das Aufwachsen junger Menschen relevanten Bereiche, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe, zu verankern und wirksam umzusetzen (AGJ & bvkj 2008).

Exkurs: Jugend und Corona

Die Corona-Pandemie beeinflusste u.a. durch Schließungen von Schulen, Jugendclubs, Sportvereinen und Kontaktverbote das Leben junger Menschen massiv. Die Folgen sind bis heute zu spüren. Sowohl Fachleute, die in der (gesundheitlichen) Begleitung, Beratung und Betreuung junger Menschen tätig sind, als auch Eltern beschreiben die körperliche und psychische Gesundheit junger Menschen als belasteter als vor der Pandemie. In der Studie JuCo IV gaben rund die Hälfte der befragten jungen Menschen an, dass es ihnen auf Grund der Corona-Pandemie körperlich schlechter geht als vorher. In Bezug auf ihre psychische Gesundheit gaben 44% der jungen Frauen und 31% der jungen Männer an, dass diese sich durch die Pandemie verschlechtert hat (vgl. Andresen et.al. 2023).

Die Autor*innen der Studie schließen aus den Ergebnissen der JuCo Studien I-IV, dass „[die] Frage „Wie geht es jungen Menschen?“ als politisches Querschnittsthema verstanden und in allen Institutionen, die mit jungen Menschen arbeiten – unter Einbezug der jungen Menschen selbst – mitentwickelt werden [muss].“ (Andresen et.al. 2023, S. 25).

Gesundheitliche Situation junger Menschen im Übergang ins Erwachsenenleben

Das Gesundheitsverhalten von Heranwachsenden hat aufgrund des Entwicklungsbezuges dieser Lebensphase wichtige Weichenstellungen für die Zukunft (vgl. Sting 2016) und sollte daher in allen Aspekten mit den jungen Menschen thematisiert werden. Auch aus präventionsorientierter, gesundheitssoziologischer und psychologischer Sicht wird das junge Erwachsenenalter als besonders wichtiges ‚Weichen-Alter‘ beschrieben, in dem die Konsolidierung längerfristiger Gewohnheiten erfolgt (vgl. von der Lippe/Reis 2020).

Mit dem Eintreten der Volljährigkeit kommt es zu diversen Zuständigkeitswechseln im Gesundheitsbereich, z. B. von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin oder auch von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in die erwachsenenpsychiatrische Versorgung. Und auch die Krankenversicherungssituation muss mit der Volljährigkeit oder auch mit dem Auszug aus der Familie oder dem Ende der Hilfe oder beim Start in die Ausbildung neu geregelt werden. Der Übergang ins Erwachsenenleben bringt somit auch hinsichtlich der Gesundheitsversorgung diverse Herausforderungen mit sich.

Das Bundesjugendkuratorium verweist darauf, dass diese Herausforderungen im jungen Erwachsenenalter gesundheits- und sozialpolitisch zu wenig Berücksichtigung finden und betont u.a. die Notwendigkeit des Einzugs der Gesundheitsförderung in die Alltagswelten der jungen Menschen sowie den systematischen Ausbau der Gesundheitsförderung und der Versorgungsstruktur im jungen Erwachsenenalter (BJK 2023).

Der Kinder- und Jugend­gesundheits­survey (KiGGS) des Robert Koch Instituts stellt heraus, dass sozial benach­teiligte Kinder und Jugend­liche (0-17 Jahre) stärkeren gesund­heitlichen Be­lastungen aus­ge­setzt sind. Die schicht­abhängigen Unter­schiede be­tref­fen nach­weislich den Gesundheits­zustand, das Ge­sund­heits­ver­hal­ten und die In­an­spruch­nah­me von Vorsorge­untersuchungen. Die Ergebnisse zeigen auf, dass Kinder- und Jugendliche aus sozial benachteiligten Kontexten sich ungesünder ernähren, ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas haben, häufiger von Essstörungen betroffen sind, sich weniger bewegen, sich seltener die Zähne putzen und seltener zum Arzt gehen. Auch hinsichtlich der psychischen Gesundheit wird ein niedriger sozialer Status als Risikofaktor herausgestellt. Als eine Erklärung wird darauf verwiesen, dass personale, familiäre und soziale Ressourcen als wichtige Schutzfaktoren gelten, welche bei Familien in schwierigen Lebenslagen jedoch häufig nicht ausreichend zur Verfügung steht (Ravens-Sieberer et al. 2007). Es lässt sich davon ausgehen, dass dieses nicht nur auf Kinder und Jugendliche, sondern auch auf junge Erwachsene zutrifft. 

Über die gesundheitliche Situation junger Menschen im Übergang ins Erwachsenenleben ist jedoch bislang in Deutschland wenig bekannt. Das Robert Koch-Institut (RKI) führt aktuell (2023-2025) die „Studie zur Gesundheit von jungen Erwachsenen in Deutschland“ (JEPSY-Studie) durch, in welcher junge Menschen zwischen 16 bis 25 Jahren, die auch an der KiGGS-Studie teilgenommen haben, befragt werden. Ziel der JEPSY-Studie ist es, die Einflüsse und Wirkungsweisen auf die psychische Gesundheit besser zu verstehen. Zudem sollen durch die Studie mehr Wissen über aktuelle Probleme und Herausforderungen im Leben sowie Unterstützungsbedarfe junger Menschen in Deutschland generiert werden (RKI 2024). Ergebnisse wurden bislang nicht veröffentlicht (Stand 11/2024).

Aus verschiedenen Studien lassen sich jedoch einzelne Hinweise zur gesundheitlichen Situation junger Erwachsener in Deutschland entnehmen und zusammenbringen. Der Fokus liegt dabei nachfolgend auf der gesundheitlichen Situation junger Menschen in besonders prekären Lebenslagen.

Bei jungen Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht und betroffen sind, wurden gravierende gesundheitliche Probleme, wie Substanzgebrauchsstörung/Suchtmittelabhängigkeit und psychische Verhaltensauffälligkeiten sowie psychiatrische Krankheitsbilder festgestellt (vgl. Knopp/Bleck/van Rießen 2014). Der überwiegende Teil dieser Gruppe hat Jugendhilfeerfahrung – viele sind Care Leaver*innen. Für die Gruppe der Care Leaver*innen zeigen internationale Forschungsergebnisse besondere gesundheitliche Einschränkungen und psychische Belastungen im Vergleich zu Gleichaltrigen auf (vgl. Stein/Dumaret 2011; Stein 2012). Dies deckt sich mit den Erkenntnissen im Hinblick auf psychische Belastungen von Kindern, die sich in stationären Hilfen in Deutschland befinden (für stationäre Wohngruppen vgl. Schmid 2007, im Hinblick auf Pflegekinder vgl. Kindler et al. 2011b).

JEPSY-Studie Studie zur psychischen Gesundheit von jungen Erwachsenen (16-25 Jahre) in Deutschland

Die JEPSY-Studie ist Teil des größeren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit“ (DZGP).

Das Robert Koch Institut (RKI) untersucht daher als Standortpartner des DZPG in Berlin/Potsdam im Rahmen der JEPSY-Studie, Ressourcen und Kompetenzen zur Prävention psychischer Probleme sowie zur Förderung psychischer Gesundheit während des Übergangs vom Jugend- ins junge Erwachsenenalter. Hierfür werden im Sommer 2024 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren online befragt, unter anderem zu ihrer psychischen Gesundheit, ihrem Wohlbefinden, ihren Ressourcen und Behandlungsbedarfen. Die Befragten haben bereits an vorherigen Befragungen der KiGGS-Studie teilgenommen, wodurch Erkenntnisse über ihre gesundheitliche Entwicklung im Zeitverlauf gewonnen werden können.

Bislang sind keine Ergebnisse veröffentlicht (Stand Oktober 2024). Mehr zu der Studie.

Kindergesundheitsbericht 2023 – Fokus: Jugendliche

Der Bericht bietet einen Überblick über wichtige Themen der mentalen und körperlichen Gesundheit junger Menschen in Deutschland sowie über aktuelle Zahlen & Daten. Der Bericht wird durch die Stiftung Kindergesundheit herausgegeben. Aufgegriffen werden insbesondere die Themenbereiche mentale Gesundheit (Aufwachsen im Zeitalter multipler Krisen, Psychische Störungen, Sucht, Geschlechtsdysphorie), physische Gesundheit (Impfungen, Sexualität, Bewegung, Ernährung) und gesellschaftliche Rahmenbedingungen (Kinderrechte, sozioökonomischer Status, Gesundheitskompetenz).

Maßnahmenvorschläge, Lösungsansätze & Handlungsempfehlungen:

  1. J2-Untersuchung als Pflichtleistung um gesundheitliche Risiken und Belastungssituationen frühzeitig zu identifizieren
  2. Maßnahmen zur Bewerbung jungendmedizinischer Angebote, insbesondere zur Steigerung der Erreichbarkeit sozioökonomisch benachteiligter junger Menschen sowie junger Menschen mit Migrationshintergrund
  3. Flächendeckende Stärkung jugendmedizinischer Angebote sowie stärkere jugendmedizinische Ausbildung
  4. Ausbau von Schule als Ort der Gesundheitsförderung
  5. Ausbau von Transitionsprogrammen zum Übergang von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin

>> Weitere Informationen im Bericht

Armut & Gesundheit

Der Zusammenhang von geringeren Gesundheitschancen junger Menschen und Armut wird durch die KiGGS-Studie sowohl in Bezug auf die körperliche und psychische Gesundheit als auch hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens herausgestellt. Junge Menschen, die in Armut aufwachsen sind daher auf Unterstützung angewiesen um selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Sie müssen als zentrale Zielgruppe von Prävention und Gesundheitsförderung adressiert werden. Mehr dazu können Sie im Vertiefungstext dieses Moduls lesen.

Gesundheitsförderung als Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe

Der Schutz von Kindern vor Gefahren für ihr Wohl stellt eine besondere Schnittstelle zwischen Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe dar. Für die Gesundheitsförderung innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe wurden 2005 durch die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden besonders relevante Aspekte festgelegt und folgende Aufgaben für das Arbeitsgebiet der Hilfen zur Erziehung formuliert (Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit Rheinland-Pfalz 2005, S. 26):

 „Nahezu alle Fälle von Hilfen zur Erziehung sind mit gesundheitsrelevanten Indikationen verbunden. Es ist notwendig, immer auch die gesundheitliche Verfassung und Lebenslage und den Förderungsbedarf zum Gegenstand einer qualifizierten Hilfeplanung zu machen und hierbei mit den entsprechenden Gesundheitsdiensten und Fachberufen zusammenzuarbeiten.“

Die Förderung der Gesundheit ist somit fester Bestandteil aller Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII und damit auch in der Begleitung und Hilfeplanung im Übergang von Care Leaver*innen. Dieses gilt aber auch für junge Menschen, die aus institutionellen Kontexten herausfallen und nicht durch die Kinder- und Jugendhilfe begleitet werden.

Aber nicht nur die Hilfen zur Erziehung, sondern die Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen, muss hier adressiert werden. Der Auftrag, die Lebenswelten junger Menschen gesundheits- und entwicklungsgerecht zu gestalten, betrifft alle Bereiche sowie alle Ebenen der Kinder- und Jugendhilfe. Für ein gelingendes Aufwachsen im Wohlergehen ist Gesundheit unverzichtbare Bedingung und Voraussetzung. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind teilweise bereits Bestandteil von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in ihren verschiedenen Arbeitsfeldern – bislang jedoch eher vereinzelt sowie wie meist zeitlich begrenzt. Diesbezüglich bedarf es an Entwicklung (vgl. Richter-Kornweitz & Holz 2023).

Begleitung konkret: Gesundheitsförderung junger Menschen im Blick

In der Beratung und Begleitung muss Gesundheit umfassend in den Blick genommen werden. Neben der konkreten Gesundheitsversorgung der jungen Menschen, gehören hierzu auch Fragen der Ernährung, des Wohn- und Lebensumfelds, Bewegung u.s.w. Wichtig ist, für alle jungen Menschen Zugänge zu einer geeigneten Gesundheitsversorgung zu ebnen bzw. sicherzustellen, dass eine schon begonnene medizinische oder therapeutische Behandlung weitergeführt werden kann. Eine zentrale Frage, um den Zugang zu Leistungen überhaupt zu ermöglichen, ist es jungen Menschen die Wichtigkeit einer Krankenversicherung zu vermitteln bzw. bei der Regelung der Krankenversicherung zu unterstützen. Gerade junge Menschen in prekären Lebenslagen, die aus dem System zu fallen drohen, haben oftmals keinen Krankenversicherungsschutz (mehr), was aufgrund der seit 2009 für alle Personen bestehenden Krankenversicherungspflicht zudem ein großes Schuldenrisiko bedeutet. 

Wichtig ist auch, gemeinsam mit den jungen Menschen eine*n feste*n Haus- und Zahnarzt/ärztin sowie ggf. Fachärzt*innen, wie Gynäkolog*innen, zu suchen. Je nach individueller Situation der jungen Person sind auch altersgemäße psychiatrische und psychotherapeutische Angebote und der Zugang zu Beratungsstellen, wie z. B. Suchtberatung, wichtig. Dabei dürfen bestehende Probleme, wie lange Wartezeiten auf Therapieplätze, nicht zu Lasten der jungen Menschen ausgelegt werden. Große Bedeutung kommt Personen zu, die die jungen Menschen begleiten bzw. Lots*innenfunktionen für sie einnehmen. In einer Studie zur psychischen Gesundheit von Care Leaver*innen in England zeigte sich die Wichtigkeit der Personal Advisor in ihrer Rolle zu beraten, zu begleiten, Behandlungsangebote aufzuzeigen, für Hilfen zu motivieren und dabei zu helfen Krisen zu überstehen (vgl. Lamont et al. 2009).

Junge Menschen mit einer Fluchtgeschichte brauchen zudem i.d.R. Traumabewältigungsangebote, deren Wahrnehmung allerdings nicht erzwungen werden kann. Die Bereitschaft, sich mit Fluchterfahrungen und Traumatisierungen auseinanderzusetzen, hängt unmittelbar damit zusammen, ob grundlegende Sicherheitsbedürfnisse – u. a. ein gesicherter Aufenthalt – erfüllt sind (vgl. BVkE/IGfH/EREV/Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) 2019).

Der Weg ins Erwachsenenleben bringt für die meisten jungen Menschen Unsicherheiten mit sich. Den begleitenden Fachkräften, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe, kommt die Verantwortung zu, den Übergang so zu gestalten, dass die jungen Menschen Zeit und verlässliche Rahmenbedingungen vorfinden, um emotional stabiler zu werden und in ihre neue Lebens- und Wohnsituation hinein zu wachsen. Eine längerfristig angelegte Begleitung ist gerade für junge Menschen mit psychischen Belastungen von großer Bedeutung, um nicht durch die Gestaltung des Ablösungsprozesses Krisen und Rückfälle zu begünstigen, die bis zu suizidalem Verhalten reichen können (vgl. Arbeitskreis der Therapeutischen Jugendwohngruppen Berlin 2009).

Nicht nur die Kinder- und Jugendhilfe steht hier in der Verantwortung. Um die Gesundheit junger Menschen zu fördern, muss sektorenübergreifend gedacht werden.

Es gilt „Synergien der verschiedenen sektoralgetrennten Versorgungssysteme von Gesundheits- und Bildungswesen sowie Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen und zu nutzen, um die […] Gesundheit junger Menschen zu fördern sowie Beratungs- und Behandlungsangebote sicherzustellen und eine wirksamere Prävention verankern zu können.“

BJK 2023

Rolle der Kommunen im Bereich Gesundheit

Die Anforderungen an die Kommunen im Bereich Gesundheit haben in den letzten Jahren aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen (Pandemie, Ärzt*innenmangel, Krankenhausschließungen, Zunahme von gesundheitlicher und sozialer Ungleichheit, etc.) zugenommen. Kommunen sind gefordert sich vermehrt mit Themen wie Gesundheitsversorgung, Gesundheitsförderung, Gesundheitsprävention auseinanderzusetzen, um gesundheitsfördernde Lebensbedingungen vor Ort zu schaffen. Dabei gilt es die verschiedenen beteiligten Akteur*innen einzubeziehen. Die Rolle der Kommunen im Bereich Gesundheit ist bislang nicht festgelegt und wird an verschiedenen Orten unterschiedlich gelebt.

Mehr zur kommunalen Gesundheitsförderung finden Sie in Modul 8.

Sabine Andresen, Anna Lips, Renate Möller, Ersan Özdemir, Wolfgang Schröer, Severine Thomas, Johanna Wilmes (2023): JuCo IV: Der Einfluss der Corona-Pandemie auf das Wohlbefinden junger Menschen. Trends und anhaltende Auswirkungen. 

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) (2008): „Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen – Kooperation von Gesundheitswesen und Kinder-und Jugendhilfe“.

Arbeitskreis der Therapeutischen Jugendwohngruppen Berlin (Hrsg.) (2009): Abschlussbericht der Katamnesestudie therapeutischer Wohngruppe Berlin. Berlin.

AFET Bundesverband für Erziehungshilfe e.V., Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V., Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V., Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen e.V., Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V., Evangelischer Erziehungsverband e. V., Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen, Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. (2019): Inklusives Kinder‐ und Jugendhilferecht endlich realisieren! Zwischenruf der Erziehungshilfefachverbände und der Fachverbände für Menschen mit Behinderung zur SGB VIII‐Reform. Berlin.  

Kindler, H., Scheurer-Englisch, H, Gabler, S., Köckeritz, C. (2011): Pflegekinder: Situation, Bindungen, Bedürfnisse und Entwicklungsverläufe. In: Kindler, H., Helming, E., Meysen, T. Jurczyk, K. (2011). Handbuch Pflegekinderhilfe. München: Deutsches Jugendinstitut e.V., 128-223.

Bundesjugendkuratorium (BJK) (2023): Stellungnahme des Bundesjugendkuratorium. Psychische Gesundheit im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter – Infrastrukturen für eine integrierte Beratung, Unterstützung und Behandlung sichern. 

Hornberg, C. (2016): Gesundheit und Wohlbefinden. In: Gebhard, U., Kistemann, T. (Hrsg.) Landschaft, Identität und Gesundheit. Springer VS, Wiesbaden.

Knopp, R./Bleck, c., van Rießen, A. (2014): Junge Wohnungslose – U25 – Abschlussbericht Juli 2013. Düsseldorf.

Lamont, E., Harland, J., Atkinson, M., White, R. (2009): Provision of mental health services for care leavers: transition to adult services. Slough. 

Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit Rheinland-Pfalz (2005): Kinder und Gesundheit. Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 12./13. Mai 2005. In: Forum Jugendhilfe. Heft 3, S.32-33.

Ravens-Sieberer, U., Wille, N. & Erhart, N. (2007): Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Volume 50, Issue 5-6 (2007), S. 871–878

Richter-Kornweitz, A. & Holz, G. (2023). Gesundheitsförderung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. 

Robert Koch Institut (RKI) (2024): Studie zur psychischen Gesundheit von jungen Erwachsenen in Deutschland (JEPSY-Studie). Teilprojekt im Rahmen des Aufbaus des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) am Standort Berlin/Potsdam

Rogge, F. (2020): Gesundheit und Wohlbefinden im Übergang ins Erwachsenenalter. Eine triangulative Untersuchung über gelingendes Erwachsenwerden und die Bedeutung von sozialen Beziehungen. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Schmid, M. (2007): Psychische Gesundheit von Heimkindern: Eine Studie zur Prävalenz psychischer Störungen in der stationären Jugendhilfe. Weinheim.

Stein, M. (2012): Young people leaving care. Supporting pathways to adulthood. London.

Stein, M., Dumaret, A.-C. (2011): The mental health of young people ageing out of care and entering adulthood: Exploring the evidence from England and France. In: Children and Youth Services Review: 33. Jg. Heft 12, S.2504-2511.

Sting, S. (2016): Gesundheit. In: Schröer, W./Struck, N./Wolff, M: (Hrsg.): Handbuch Kinder- und Jugendhilfe. Weinheim/Basel, S. 494-511.

von der Lippe, H., Reis, O. (2020): Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter. In: Klärner, A., Gamper, M., Keim, S., Moor, I., von der Lippe, H., Nico, V. (Hrsg.): Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten. Eine neue Perspektive für die Forschung. Wiesbaden, S. 193-226.

WHO (2020). Constitution of the World Health Organization. In: Basic Documents, Forty-ninth edition (p. 1-19). Geneva: WHO.

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Care Leaver*innen verfügen über Erfahrungen in stationären Erziehungshilfen (Jugendwohngruppen, Pflegefamilien oder andere betreute Wohnformen) und befinden sich im Übergang aus diesen Hilfeformen in ein eigenverantwortliches Leben oder leben bereits in eigenem Wohnraum. Care Leaver*innen können nachgehend eine ambulante Betreuung in Anspruch nehmen oder in anderen Hilfesettings (z. B. Jugendsozialarbeit oder Eingliederungshilfe weiter begleitet werden).
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