Natascha Feyer, Laura Husmann & Dorothee Kochskämper
Junge Menschen haben, genau wie Erwachsene, Grundrechte, die ihnen ein Aufwachsen ohne Diskriminierung, d. h. in gleichberechtigter und angemessener sozialer Teilhabe ermöglichen sollen. Sie haben zudem ein Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung. Dies wird in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) als Übereinkommen der unterzeichnenden Staaten herausgestellt. Das heißt neben der Berücksichtigung der Grundbedürfnisse von jungen Menschen – wie Essen, Schlafen, Trinken, Kleidung und eine Wohnung – haben sie ebenfalls ein Recht darauf, Wissen und Können zu erwerben, soziale Beziehungen zu gestalten, sich spielerisch, sportlich, kulturell und künstlerisch zu betätigen und somit sozial handlungsfähig und selbstständig zu werden.
Die Rechte junger Menschen im Sinne der UN-KRK beinhalten Individualrechte auf Schutz (z. B. Schutz vor körperlicher und psychischer Gewalt), auf besondere Leistungen zur Förderung (wie bspw. das Recht auf Bildung) und auf Beteiligung (z. B. das Recht auf Mitbestimmung). Das bedeutet, dass die Achtung des Kindeswohls in allen Bereichen und bei allen Belangen immer vorrangig zu berücksichtigen ist. Zudem ist die UN-KRK als inklusives Regelwerk formuliert, das ebenfalls eine gleichberechtigte soziale Teilhabe als gesellschaftliches Ziel benennt. Die UN-Krk gilt für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren.
Das Grundgesetz bildet die Grundlage unserer demokratischen Ordnung und steht im Rang über allen anderen deutschen Rechtsnormen. Seit Mai 1949 sichert es die Grundrechte der Bürger*innen in Deutschland. Das Grundgesetz enthält jedoch keine expliziten Kinderrechte. Aber Kinder und Jugendliche sind auch Grundrechtsträger*innen. Sie sind im Sinne des Grundgesetzes jedoch darauf angewiesen, dass ihre Rechte durch Erwachsene wahrgenommen werden – und zwar nicht nur im Alltag, sondern auch bei politischen Entscheidungen. Das Grundgesetz gewährleistet z. B. das Recht auf Selbstbestimmung der Person und auf ihre Mitbestimmung in der demokratischen Gesellschaft. Diese Rechte gelten auch für Kinder und Jugendliche. Bisher können junge Menschen diese Rechte nicht eigenständig wahrnehmen. Die UN-KRK wurde zwar 1992 in Deutschland ratifiziert und hat damit den Rang eines Bundesgesetzes, dennoch fehlt es an deren Sichtbarkeit im Grundgesetz und entsprechend an einer wirksamen Verpflichtung zur Umsetzung. Dies widerspricht den völkerrechtlichen- und europarechtlichen Verpflichtungen sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Deutsches Institut für Menschenrechte 2021). Als zukünftige Träger*innen der Demokratie sollten sie frühzeitig an demokratische Prozesse herangeführt werden. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Deutschland in diesem Kontext dringend aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die UN-KRK vor dem einfachen Bundesrecht Vorrang hat, und empfohlen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. In 14 von 16 Landesverfassungen sind mittlerweile Kinderrechte explizit verankert und werden teilweise in Gemeindeordnungen weiter konkretisiert.
Dass Kinderrechte nicht explizit im Grundgesetz verankert sind, bedeutet allerdings nicht, dass junge Menschen in Deutschland keine eigenständigen Rechte haben. Entsprechende Gesetze und Bestimmungen existieren in anderen Bereichen wie dem Familienrecht, Kinder- und Jugendhilferecht, Schulrecht, Gesundheitsrecht, Migrationsrecht, Strafrecht und Datenschutz.
In verschiedenen Gesetzesbüchern des deutschen Rechts finden sich Rechte junger Menschen. So regelt beispielsweise das SGB II die Existenzsicherung, das SBG III die Berufsorientierung und Berufseinstiegsbegleitung und das SGB VIII alles rund um die Kinder- und Jugendhilfe. Das SGB IX umfasst die Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (Eingliederungshilfe) und das SGB XII die Leistungen der Sozialhilfe. Neben den Sozialgesetzbüchern spielen weitere Gesetze, wie z.B. das Berufsbildungs- (BBiG) und das BAföG-Gesetz eine Rolle. Damit sind nur einige Beispiele genannt. Die Rechtssituation junger Menschen in Deutschland ist sehr umfassend. Es ist schwierig diese vollständig und umfassend zu durchdringen und für Fachkräfte aus einzelnen Rechtskreisen nahezu unmöglich. Um junge Menschen darin zu unterstützen all ihre Rechte wahrnehmen zu können, braucht es eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit von Akteur*innen der verschiedenen Rechtskreise. Dazu wie dieses kommunal ausgestaltet werden kann, finden Sie in Modul 8 verschiedene Hinweise und Impulse.
Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), das im Sommer 2021 das SGB VIII in wesentlichen Teilen reformiert hat, ist ein Beispiel für die Konkretisierung der Vorgaben der UN-KRK im deutschen Recht. Im Rahmen einer rechtebasierten Betrachtung haben alle Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, nach dem SGB VIII in Deutschland, also alle jungen Menschen bis zu ihrem 21. Geburtstag (zum Teil auch bis zu ihrem 27. Geburtstag), einen Anspruch auf Förderung ihrer Entwicklung und auf soziale Teilhabe.
In der Kinder- und Jugendhilfe unterliegen die Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen außerdem einem besonderen Schutzauftrag, der nur unter Beteiligung der jungen Menschen erfüllt werden kann. Die Rechte auf Beteiligung sind der wichtigste Baustein für die Würdigung der Rechte junger Menschen und die Verwirklichung von Unterstützung, so wie es das Kinder- und Jugendhilfegesetz vorsieht.
Mit dem KJSG wurden 2021 auch einige einschlägige Neuregelungen eingeführt, die die Hilfen für junge Erwachsene und insbesondere die Begleitung im Übergang aus stationären Erziehungshilfen betreffen. Sie bilden eine Erweiterung der Rechte junger Menschen auf die Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe im jungen Erwachsenenalter. Das Gesetz konkretisiert gleichzeitig die Aufgaben für öffentliche und freie Träger während des Leaving-Care-Prozesses.
Einen Nachbetreuungsanspruch für junge Menschen in der Verselbständigungsphase über das Hilfeende gem. §36 SGB VIII hinaus. Ziel der Nachbetreuung ist eine umfassende und kontinuitätssichernde Unterstützung von jungen Menschen, sodass sie entsprechend ihres individuellen Bedarfes weiterhin begleitet werden können.
Junge Menschen haben ein Recht auf Teilhabe, das heißt sie haben das Recht gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – unabhängig von individuellen Beeinträchtigungen, Barrieren oder Benachteiligungen. Dabei ist es besonders wichtig, Zugänge zu allen gesellschaftlichen Lebensbereichen zu ermöglichen.
An jungen Menschen, die keine Hilfe annehmen wollen oder erhalten, lässt sich ablesen, dass ihre Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe nicht verwirklicht bzw. wesentlich eingeschränkt sind. Das betrifft alle Rechte im Sinne des Grundgesetzes, die UN-Kinderrechtskonvention, das Kinder- und Jugendhilfegesetz und andere rechtliche Verpflichtungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen, gesunden, selbstbestimmten und diskriminierungsfreien Aufwachsens junger Menschen in Deutschland.
Der Staat, die sozialen Dienste und das Gemeinwesen tragen gegenüber diesen jungen Menschen eine besondere soziale Verantwortung. Es gilt ihre Lebensbedingungen zu verbessern, Perspektiven mit ihnen zu klären und zur Verwirklichung ihrer Teilhabechancen beizutragen.
Die Verwirklichung der Rechte junger Menschen ist nicht immer gewährleistet. Um diese im Interesse der jungen Menschen und mit ihnen einzufordern und durchzusetzen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe haben sich mittlerweile Ombudsstellen als unabhängige Beratungs- und Beschwerdestellen etabliert, an die sich junge Menschen und ihre Familien bei Konflikten mit öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe wenden können. Ziel der ombudschaftlichen Beratung ist es, junge Menschen über ihre Rechte und Ansprüche aufzuklären und− wenn nötig − durch persönliche Begleitung und vermittelndes Agieren zu unterstützen und auf diese Weise zu Einzelfallgerechtigkeit beizutragen.
Für rechtliche Fragen und eine unabhängige Beratung zu Leistungen in der Eingliederungshilfe stehen jungen Menschen mit Behinderungen und deren Familien die Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) zur Verfügung. In der EUTB stehen die individuellen Wünsche für eine gelingende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Vordergrund. Damit erfahren Ratsuchende eine besondere Stärkung ihrer Rechte.
Aber auch die Wahrnehmung der Aufklärungspflicht durch die öffentliche Verwaltung und – im äußersten Fall – auch gerichtliche Klageverfahren sind wichtige Verfahrensschritte, um die Rechte junger Menschen zu verwirklichen.
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