Dorothee Kochskämper, Tabea Möller, Severine Thomas
Junge Menschen haben ein Recht auf soziale Teilhabe. Daher stehen ihnen, wenn ihre Familien ihnen ein gesundes und altersgerechtes Aufwachsen nicht gewährleisten können, öffentliche Unterstützungsleisten zu.
Die Ansprüche junger Menschen auf Unterstützungsleistungen lassen sich im Wesentlichen in Geldleistungen, Betreuungsleistungen und Eingliederungsleistungen unterteilen.
Junge Menschen brauchen i.d.R. finanzielle Unterstützung, da sie bspw. noch keine Berufsqualifikation abgeschlossen haben, keiner Lohnarbeit nachgehen und sich noch orientieren. Grundsätzlich sind die Eltern zuständig ihre Kinder finanziell zu unterstützen (Unterhalt). Sie erhalten als steuerrechtliche Unterstützungsleistung z.B. Kindergeld für ihre Kinder. Unterhaltsansprüche gegenüber den eigenen Eltern gelten allerdings nicht grenzenlos und manche Eltern können diese finanzielle Unterstützung auch gar nicht, oder nur teilweise leisten. Dann entstehen in der Regel Ansprüche auf Sozialleistungen zur Sicherung des Existenzminimums (vgl. Raabe/Thomas 2024, S.67). Bevor aber solche Sozialleistungen erbracht werden, wird geprüft, ob der Lebensunterhalt aus privaten Mitteln möglich ist. Ist dies nicht der Fall, kommen verschiedene Leistungen in Frage, wie bspw. Leistungen zur Ausbildungsförderung (BAB, BAföG), Bürger*innengled und Wohngeld.
Alle jungen Menschen haben darüber hinaus ein Recht auf persönliche Unterstützung und Betreuung – das gilt ganz unabhängig von den Rechten und Interessen der Eltern oder anderer Personensorgeberechtigter. Diese Betreuungsleistungen finden sich im SGB VIII. Sie gelten für junge Menschen bis 27 Jahre. Neben den vorrangig Betreuungsleistungen im SGB VIII gibt es auch Leistungen nach dem SGB XII, die für junge Menschen in Frage kommen können.
Allgemeine Beratungsrechte im SGB VIII
Seit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) im Jahr 2021 wurden die eigenständigen Rechte junger Menschen auf Beratung verbessert. Sie müssen sich nicht erst in einer akuten Notlage befinden, um Beratung in Anspruch nehmen zu können (§8 SGB VIII). Das kann auch vertraulich ohne Wissen der Sorgeberechtigten geschehen.
Niedrigschwellige Beratungsangebote gibt es in allen Städten und Kreisen z. B. in einer Erziehungs- oder Jugendberatungsstelle, im Rahmen der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder bei speziellen Beratungsdiensten, wie bspw. der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Suchtberatungsstellen, der Berufsberatung, dem Jobcenter oder der Schuldnerberatung. Es gibt inzwischen auch zahlreiche Online-Beratungsangebote, die anonym (in Chats oder per Mail), aber auch z. B. als Video-Sprechstunde genutzt werden können.
Intensivere Unterstützungsleistungen im SGB VIII und SGB XII
Wenn eine Beratung nicht ausreicht, gibt es verschiedene intensivere Hilfen für junge Menschen und ihre Familien. Das können z. B. ambulante Familienhilfen sein, Wohngruppen, Pflegefamilien oder sonstige betreute Wohnformen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Leistungen, die das SGB VIII und das SGB XII
Junge Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§99ff. SGB IX. Im SGB IX wird folgende Definition zu Grunde gelegt: Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (vgl. §2 SGB IX).
Definitionen von Behinderung – zwischen Recht und Stigmatisierung Das SGB IX orientiert sich in seinen Begriffsbestimmungen an der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Dort wird zwischen „Behinderung“ und „Beeinträchtigung“ unterschieden. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn einer Person „bestimmte Funktionen fehlen (z.B. die Seh- oder Hörfähigkeit) oder bestimmte Funktionen eingeschränkt sind (z.B. die Gehfähigkeit oder Kommunikationsfähigkeit)“ (Kreutz et al. 2012, S. 69). Behinderungen entstehen dann in der Folge aus den Wechselwirkungen zwischen Beeinträchtigung und gesellschaftlichen Barrieren. Das SGB IX spiegelt damit das biopsychosoziale Modell von Behinderung der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF). Dieses Modell kann als Minimalkonsens in der Debatte um die Definition von Behinderungen gesehen werden (vgl. Gottwald 2019). Grundsätzlich gewährt eine Definition von Behinderung Zugang zu Leistungsrechten einerseits, wirkt aber andererseits auf Grund der vorhandenen Defizitorientierung weiterhin stigmatisierend. |
Teilhabehindernisse können in verschiedenen Lebensbereichen auftreten: Familie, Sozialkontakte, Kindergarten, Schule, Ausbildung, Beruf, Eigenverantwortlichkeit, Alltagsbewältigung und Freizeit. Für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe reicht es aus, wenn die Teilhabe in nur einem Lebensbereich eingeschränkt ist oder droht eingeschränkt zu werden. Wenn junge Menschen Fragen zu Leistungen der Eingliederungshilfe haben, können sie sich an die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) wenden.
Inklusive Kinder- und Jugendhilfe Mit dem 2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wurde das Ziel der inklusiven Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialgesetzbuch VIII verankert. Das bedeutet, dass die Kinder- und Jugendhilfe perspektivisch für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen zuständig sein soll (sogenannte „Inklusive Lösung“). Bisher ist lediglich die Eingliederungshilfe für junge Menschen mit (drohenden) seelischen Behinderungen im SGB VIII geregelt. Junge Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen erhalten Eingliederungsleistungen nach dem SGB IX. Spielen sowohl geistige und/oder körperliche Behinderungen als auch seelische Behinderungen bei dem jungen Menschen eine Rolle, ist ebenfalls das SGB IX zuständig. Durch die neuen Regelungen im SGB VIII sollen die Jugendämter bis 2028 für alle jungen Menschen zuständig sein, unabhängig von ihren Behinderungen (vgl. Raabe/Thomas 2024, S. 59). |
Gottwald, C. (2019): socialnet Lexikon: Behinderung. https://www.socialnet.de/lexikon/Behinderung#quelle_ref (letzter Aufruf 01.08.2024)
Kreutz, M./ Lachwitz, K./ Trenk-Hinterberger, P. (2012): Die UN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis: Erläuterungen der Regelung und Anwendungsgebiete. München: Luchterhand.
Raabe, B./Thomas, S. (2024): Rechte von Care Leaver*innen. Verfügbare Leistungen auf Betreuung, Begleitung und finanzielle Unterstützung im deutschen Sozialleistungssystem. IGfH Eigenverlag, Frankfurt am Main.
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