Fallbeispiele zu Finanzierungsfragen

Im Rahmen der Fachstelle Leaving Care wurden vier Fallbeispiele ausführlich kommentiert. Dadurch werden die Leistungsansprüche und Rechtsmittel sichtbar.

Außerdem erfahren Sie, wie sich Ansprüche umsetzen lassen.

Finanzierungslücken in der Berufsausbildung

Fallbeispiel 1

Kurzbeschreibung der Person

Jela ist 18 Jahre alt und lebt seit 5 Jahren in einer Wohngruppe. Sie befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt (Januar 2023) im 2. Jahr in einer dualen Ausbildung zur Mediengestalterin und verfügt aktuell über ein Ausbildungsgehalt. Von ihrem ersparten Gehalt aus dem Ausbildungseinkommen hat sie ihren Führerschein bezahlt, den sie im Dezember 2022 geschafft hat. Bis Ende 2022 musste sie noch 25% von ihrem erzielten Einkommen im Rahmen der Kostenheranziehung an das Jugendamt abgeben.

Jela möchte demnächst in eine eigene Wohnung ziehen und hat auch bereits ein Angebot in Aussicht für den 01. März 2023. Nun muss sie mit ihrer Betreuerin prüfen, wie Sie Ihren finanziellen Bedarf mit dem Übergang aus der stationären Hilfe sicherstellt. Hinzu kommen die erforderliche Mietsicherheit und die Erstausstattung für die Wohnung.

Maedchen vor finanzieller Huerde

Jela wurde nach § 34 SGB VIII betreut, die Hilfe wurde mit ihrem 18. Geburtstag in eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII umgewandelt. Mit dem Umzug in eine eigene Wohnung soll die Hilfe noch ambulant nach § 30 SGB VIII (Erziehungsbeistandschaft) fortgeführt – perspektivisch bis zum Abschluss der Berufsausbildung.

Jela hat den erweiterten Realschulabschluss erworben und mit 17 Jahren eine duale Ausbildung zur Mediengestaltung begonnen. Sie befindet sich im 2. Ausbildungsjahr.

Während der stationären Hilfe zur Erziehung:

  • Taschengeld
  • Ausbildungseinkommen

 

Nach dem Auszug in die eigene Wohnung:

  • Ausbildungseinkommen
  • Kindergeld
  • BAB
  • Wohngeld?

Jela verfügt über ausreichend Einkommen, so dass sie keine ergänzenden laufenden Leistungen des Jobcenters in Anspruch nehmen muss. Hiervon kann sie die Miete und den laufenden Lebensunterhalt bestreiten. Sie benötigt allerdings eine Kaution in Höhe von drei Monatsmieten, die das Jugendamt nicht übernehmen möchte.

Für die Erstausstattung erhält sie einen Pauschalbetrag des Jugendamtes in Höhe von 512 Euro. Dieser reicht aber nicht für die Grundausstattung der Wohnung, in der sich keine Einbauküche befindet. Es fehlt an Elektrogeräten und Möbeln sowie Haushaltsgegenständen. Das Jugendamt lehnt aber eine zusätzliche Gewährung für die Einrichtung der Wohnung ab.

Auszubildende in einer praktischen (dualen) Ausbildung erhalten ergänzend Leistungen nach dem SGB II (also vom Jobcenter), wenn das Einkommen, also eigenes Einkommen und andere Sozialleistungen, nicht ausreichen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu den laufenden Bedarfen für Lebensunterhalt, Wohnung und Heizung, kommen noch einmalige Bedarfe hinzu. Während Jela die laufenden Kosten über ihre Einkünfte decken kann, gilt das nicht für die zusätzlichen einmaligen Bedarfe, sofern diese gesetzlich anerkannt sind. Die Kosten für die Mietsicherheit (Kaution) sollen vom Jobcenter nach § 22 Abs. 6 SGB II übernommen werden, wenn der Leistungsberechtigte ohne eine Kaution die Wohnung nicht bekommen kann‘. Es besteht hier also erst einmal ein Regelermessen: In der Regel muss, in Ausnahmefällen kann das Jobcenter die Kosten übernehmen. Gerade in Ballungszentren mit angespannten Wohnungsmärkten werden die Kautionskosten übernommen. Die Übernahme erfolgt jedoch immer in Form eines Darlehens. Das Geld für die Kaution muss also an das Jobcenter zurückgezahlt werden. Jela kann darüber hinaus auch Leistungen zur Erstausstattung der Wohnung gem. § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB II erhalten, wenn ihr Einkommen nicht ausreicht, diese Gegenstände anzuschaffen. Hierzu gehören auch Haushaltsgeräte. Allerdings gilt dies nur für die erstmalige Anschaffung dieser Geräte. Die Jobcenter zahlen natürlich nur angemessene Kosten. Jela sollte vor dem Kauf der Geräte beim Jobcenter nachfragen, in welcher Höhe die Kosten übernommen werden.

Wird ein Antrag auf zusätzliche Leistungen vom Jobcenter abgelehnt, kann und muss dagegen Widerspruch eingelegt werden. Da die Entscheidung über den Widerspruch in der Regel einige Zeit in Anspruch nimmt, ist es sinnvoll auch einen Antrag an das Sozialgericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Kostenübernahme zu stellen.

Beispiel für ein Musterschreiben:
https://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/media.php/13/Eilantrag-VORDRUCK.pdf

Anschlussfinanzierung im Leaving Care beim Übergang ins Studium

Fallbeispiel 2

Kurzbeschreibung der Person

Baschar ist 19 Jahre alt, er ist mit 14 Jahren aus Syrien geflohen. Er lebt ohne Eltern und andere Angehörige in Deutschland. Die Eltern sind in den Bürgerkriegswirren verschollen. Trotz nachweislich intensiven Bemühungen, weiß Baschar nicht, ob und wenn ja, wo sie leben. Baschar wurde mit der Einreise nach Deutschland in Obhut und anschließend in eine Wohngruppe aufgenommen. Er hat noch keinen sicheren Aufenthaltstitel, son-dern verfügt bisher nur über eine Duldung.

Finanzierungsluecke Studium

Baschar wurde nach § 34 SGB VIII betreut, die Hilfe wurde mit seinem 18. Geburtstag in eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII umgewandelt. Er hat vier Jahre in einer Jugend-wohngruppe gelebt und ist fünf Monate nach seinem 18. Geburtstag in die mobile Betreuung (stationäre Maßnahme nach § 41 SGB VIII i. V. m. § 34 SGB VIII) in eine eigene Wohnung des Trägers umgezogen, durch den er in dieser Hilfeform seit 1,5 Jahren begleitet wird. Die Hilfe wird ohne eine ambulante Nachbetreuung beendet werden, da er mit dem Auszug den Wohnort wechseln wird.

Baschar hat im Juni 2022 sein Abitur abgeschlossen und zum Oktober hat er eine Zusage für einen Studienplatz erhalten. Er hat mit dem Jugendamt vereinbart, dass seine Hilfe bis Ende September fortgeführt werden soll. Danach zieht er zum Studium in eine andere Stadt in eine eigene Wohnung. Diese steht voraussichtlich erst zum 01. November zur Verfügung. Bis dahin wohnt er übergangsweise bei einer Freundin, die in der Nähe seines Studienorts lebt.

Während der stationären Hilfe zur Erziehung:

  • Taschengeld
  • Hilfe zum Lebensunterhalt
  • ggf. Sonderleistungen z. B. für Nachhilfe
  • Nebenjob

 

Nach dem Auszug in eine eigene Wohnung:

  • BaföG
  • Kindergeld
  • Nebenjob

Baschar weiß nicht genau, wie er den Einzug in eine neue Wohnung finanzieren soll. Er verlässt seinen jetzigen Wohnort, kann aber noch keine Erstausstattung kaufen/organisieren, da er bisher keine Wohnung finden konnte. Wie ein möglicher Umzug organisiert wird, ist auch unklar, da zu dem Zeitpunkt keine Erziehungshilfe mehr zur Verfügung steht. Sofern eine Kaution für eine Wohnung (die er gerade sucht) erforderlich wird, weiß er nicht bei welcher Stelle er einen Antrag auf Übernahme der Mietsicherheit stellen kann.

Baschar hat einen Antrag auf BaföG gestellt. Es ist eindeutig, dass er einen Anspruch darauf hat, da er ohne Angehörige in Deutschland lebt, die Bearbeitung dauert aber noch. Der Zeitpunkt der ersten Zahlung ist ungewiss. Ab Oktober weiß Baschar nicht, wie er seinen Lebensunterhalt finanzieren soll und die Wohnungssuche ist ohne die Auszahlung von BaföG und Übernahme einer Mietsicherheit durch eine öffentliche Stelle kaum möglich.

Baschar kennt den Aufenthalt seiner Eltern in Syrien nicht und kann dies auch nachweisen. Aus diesem Grunde erhält er gem. § 1 Abs. 2 BKGG (Bundeskindergeldgesetz) Kindergeld für sich selbst.

Die Kaution wird nicht übernommen; ihm wird aber zumindest einen Monat Bürgergeld in Höhe der BaföG-Leistungen vom Jobcenter als Darlehen gezahlt. Da die Kaution nicht übernommen wird, müsste Baschar vorher diese ansparen – entweder von der bis dahin durch das Jugendamt bezogenen Hilfe zum Lebensunterhalt oder durch Nebenjobs. Dies ist während der stationären Jugendhilfe ohne eine Zuverdienstgrenze möglich. Während des BaföG-Bezuges kann er bis 520,00 € (Minijob) dazuverdienen, ohne dass dies auf die BaföG-Leistungen angerechnet werden würde. Parallel empfiehlt es sich, dass er sich um einen Platz im Studentenwohnheim kümmert. Im Allgemeinen sind diese günstiger als Wohnungen oder WG-Zimmer auf dem freien Wohnungsmarkt. Unabhängig davon gibt es aber auch – in der Regel – begabungsabhängige Stipendien. Es handelt sich dabei jedoch nicht um Sozialleistungen. Ansprüche auf dieses Leistungen gibt es also nicht.

Die Leistungen des BaföG umfassen laufende Unterhaltskosten und Wohnkosten, gestaffelt nach der Ausbildungsart. Die für die Unterkunft gezahlten Bedarfe sind regelmäßig nicht ausreichend. Darüber hinaus erhalten die betreffenden BaföG-Berechtigten gem. § 7 Abs. 5 SGB II keine laufenden Leistungen nach dem SGB II. Sie bekommen aber Leistungen nach § 27 SGB II, die ergänzend zur Ausbildungsförderung gewährt werden können.

Die Übernahme der Kosten für eine Kaution gehört allerdings nicht zu etwaigen Regelleistungen im Sinne des § 27 SGB II. Eine Übernahme der Kaution über das Jobcenter wäre nur möglich, wenn der Ausschluss für Baschar eine besondere Härte bedeuten würde (§ 27 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass es Studierenden möglich ist, nebenbei, zumindest stundenwiese, zu arbeiten und damit zum eigenen Lebensunterhalt beizutragen. Nur wenn dies, aufgrund von besonderen Umständen, nicht möglich wäre, kann von einer Härte ausgegangen werden. Dies dürfte hier ausscheiden, da zumindest zum Ende der stationären Erziehungshilfe hin, die Möglichkeit bestanden hätte, zu arbeiten. Das hätte allerdings mit Baschar noch während der Hilfe besprochen werden müssen. Aus dieser fehlenden Information über die Rechtslage leitet sich in der beschriebenen Situation für Baschar leider nachträglich kein Anspruch auf Übernahme der Kaution durch das Jobcenter ab.

Baschar kann jedoch zumindest für den ersten Monat des Studiums gem. § 27 Abs. 3 Satz 4 SGB II vom Jobcenter zur Überbrückung ein Darlehen in Höhe des voraussichtlichen BaföG-Betrages erhalten.

Die Anträge müssen bei der Familienkasse (Kindergeld) bzw. beim Jobcenter gestellt werden. Der Antrag beim Jobcenter sollte mit einem Antrag auf Vorschusszahlung gem. § 42 SGB I verbunden werden.

Anschlussfinanzierung im Leaving Care beim Übergang in eigenen Wohnraum

Fallbeispiel 3

Kurzbeschreibung der Person

John ist 20 Jahre alt. Er lebt seit vier Jahren in der Jugendhilfe. Vor zwei Jahren ist er in eine Wohngemeinschaft im Rahmen des Betreuten Wohnens gezogen. Er befindet sich seit dem 01.03.2022 in einer Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. Er sucht bereits ein halbes Jahr seit Ausbildungsbeginn eine eigene Wohnung. Zusätzlich zu seinem Ausbildungsgehalt erhält John Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Über einen Bekannten hat John ein Wohnungsangebot erhalten, welches den Kriterien der Angemessenheit des Jobcenters entspricht. Der Vermieter möchte eine zügige Vertragsunterzeichnung, sonst bekommt ein*e andere*r Bewerber*in die Wohnung.

John wurde nach § 34 SGB VIII betreut, die Hilfe wurde mit seinem 18. Geburtstag in eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII umgewandelt. Er hat zwei Jahre in einer Jugendwohngruppe gelebt und ist kurz nach seinem 18. Geburtstag in das Betreute Wohnen des Trägers in eine außengeleitete Wohngemeinschaft umgezogen (stationäre Maßnahme nach § 41 SGB VIII i. V. m. § 34 SGB VIII). Hier wird er seit zwei Jahren betreut. Mit dem Umzug in eine eigene Wohnung soll anschließend Nachbetreuung über Fachleistungsstunden stattfinden.

John hat im Juli 2021 seinen Realschulabschluss erworben. Im Anschluss hat er an einer berufsvorbereitenden Maßnahme (BvB) teilgenommen. Im Rahmen der BvB hat er seinen derzeitigen Ausbildungsplatz gefunden und die 2-jährige Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe am 01.03.2022 begonnen.

Während der stationären Hilfe zur Erziehung:

  • Taschengeld
  • Hilfe zum Lebensunterhalt
  • ggf. Sonderleistungen z. B. für Nachhilfe
  • BAB
  • Kindergeld
  • Ausbildungsgehalt

 

Mit Auszug zum 01.03.2023:

  • Ausbildungsgehalt
  • BAB
  • Kindergeld
  • Leistungen zur Unterkunft SGB II

John kann die Wohnung mit Ausbildungsgehalt und BAB allein nicht finanzieren. Zudem hat er keine Ersparnisse, mit denen er die Kaution bezahlen könnte, da er von seinem Ausbildungsgeld Schulden aus einem Fitnessstudiovertrag abzahlen musste. Der Abzweigungsantrag für das Kindergeld ist gestellt, wird aber eine längere Bearbeitungszeit benötigen, da kein Kontakt zu den Eltern besteht, die aber in der gleichen Stadt leben wie John. Daher geht das Jobcenter davon aus, dass er keinen Anspruch auf Bürgergeld (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) hat. John kann die erste Miete und Kaution daher aktuell nicht aufbringen.

John erhält als Auszubildender im Gastgewerbe Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Diese ist bedürftigkeitsabhängig und wird in Höhe des BAB-Bedarfs abzüglich der Ausbildungsvergütung gezahlt. Da dies nicht ausreicht, hat John einen Anspruch auf Bürgergeld (SGB II). Als dem Grunde nach BAB-Berechtigter ist er hiervon nicht ausgeschlossen. Gemäß § 22 Abs. 5 SGB II ist John aber eigentlich vom Bürgergeldbezug ausgeschlossen, da er noch unter 25 Jahre alt ist. Der Ausschluss greift jedoch nicht, wenn er begründen kann, warum er aus schwerwiegenden sozialen Gründen im Sinn des § 22 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht bei seinen Eltern leben kann. Dies ist hier der Fall, eine entsprechende Bescheinigung sollte er sich beim Jugendamt noch einholen.

Er hat einen Anspruch auf den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes nach dem SGB II, zuzüglich der tatsächlichen Unterkunftskosten, sofern diese angemessen sind. Abgezogen werden hiervon die Ausbildungsvergütung und die BAB-Leistungen. Sobald Kindergeld an ihn gezahlt wird, wird auch dies von seinem Anspruch auf Bürgergeld abgezogen. Zusätzlich kann John noch die Kaution auf Darlehensbasis vom Jobcenter erhalten.

Es empfiehlt sich hier, den Antrag auf laufende Leistungen beim Jobcenter mit denen auf Zahlungen eines Vorschusses nach § 42 SGB I zu verbinden. Wird nicht schnell genug entschieden, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht zu stellen.

Beispiel für ein Musterschreiben:
https://www.sozialgericht-bremen.de/sixcms/media.php/13/Eilantrag-VORDRUCK.pdf

Anspruch auf Kindergeld nach dem Leaving Care aus einer Pflegefamilie

Fallbeispiel 4

„Also, auch von meinem privaten Geld habe ich ihr die Wohnung ja mitfinanziert, weil sie das gar nicht alleine konnte, also die muss schon bezahlt werden, die Wohnung. Und/ aber das Kindergeld habe ich weitergeleitet und dann wurde das bei mir zurückgefordert.“

„Şeyda konnte das nicht rückwirkend beantragen, nur für sechs Monate, sodass wir dann eben auch viel Geld verloren haben und, das Finanzamt auch nicht bereit war, da irgendwie, ähm, mit sich reden zu lassen, weil ich konnte ja nachweisen, dass ich weitergeleitet habe, aber es spielte keine Rolle. Also, das sind dann so Fallstricke, die man irgendwie hat. Müsste Şeyda das dann bezahlen, würde das gar nicht gehen, dann hätte sie ihre Wohnung gleich wieder aufgeben können. Also, das ist so, das macht es einem besonders schwer, finde ich.“

Kurzbeschreibung der Person

Şeyda ist 21 Jahre alt. Sie ist in einer Pflegefamilie aufgewachsen, hat Abitur gemacht und danach ein Studium aufgenommen. Ihre Mutter verstarb als sie 18 Jahre als war. Dies hat sie sehr aus der Bahn geworfen, sodass sie ihr Studium aufgab. Mit 21 Jahren zog sie zur Miete in eine eigene Wohnung in der Nähe, die dem Bruder der Pflegemutter gehört. Dort lebt sie aktuell.
Die Pflegemutter hat nach dem Auszug weiterhin das Kindergeld erhalten und an Şeyda ausgezahlt.

Şeyda lebte mehr als 15 Jahre in einer Hilfe nach § 33 SGB VIII. Sie wurde nach ihrem 18. Geburtstag weiterhin in der Pflegefamilie im Rahmen einer Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII betreut. Sie ist mit 21 Jahren in eine eigene Wohnung gezogen. Die Pflegefamilie hat sich weiterhin für Şeyda verantwortlich gefühlt und sie eng begleitet und unterstützt – auch finanziell.

Şeyda hat nach dem Abitur ein Studium begonnen, frühzeitig aber wieder beendet und eine duale Berufsausbildung aufgenommen.

Während der stationären Hilfe zur Erziehung:

  • Taschengeld
  • Hilfe zum Lebensunterhalt durch das Jugendamt bis zum Abitur
  • Kindergeld
  • während des Studiums BaföG, danach Ausbildungsgehalt → keine Kostenheranziehung mehr seit 01.01.2023

Mit Auszug zum 01.03.2023:

  • Ausbildungsgehalt
  • Kindergeld über die Pflegemutter
  • Ergänzende Unterstützung durch die Pflegefamilie

Wie hätte die Finanzierung für Şeydas Wohnung und Lebensunterhalt geregelt werden müssen, welche Leistungsansprüche hat sie?

Şeyda hat zunächst während ihrer Ausbildungsphase noch im Haushalt ihrer Pflegeeltern gelebt, erhielt Kindergeld über die Pflegemutter, Ausbildungsgehalt, von dem sie 25% an das Jugendamt abgeben musste (seit 01.01.2023 vollständiger Selbstbehalt). Die Kosten für ihre Unterbringung in der Pflegefamilie waren über das Pflegegeld abgedeckt. Mit ihrem Auszug in eine eigene Wohnung hatte sie zudem einen Bedarf für die Mietkosten. Sie hat sich mit dem Ausbildungsgehalt und Kindergeld (durch die Pflegemutter übergelei-tet) finanziert.

Welch Fragen sind zu prüfen?
• Besteht ein eigener Kindergeldanspruch?
• Wurde der Anspruch auf BAB (Berufsausbildungsbeihilfe gem. SGB III) geprüft?
• Über wen ist Şeyda krankenversichert?
• Besteht ggf. ein ergänzender Wohngeldanspruch?

Şeyda hat nur dann einen eigenen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie Vollwaisin wäre (§ 1 Abs. 2 BKGG) und auch kein anderer Berechtigter Kindergeld für sie bekommt. Auch Pflegeeltern bekommen für Pflegekinder Kindergeld. Allerdings nur solange das Pflegeverhältnis besteht. In diesem Fall hätte vor dem Hilfeende veranlasst werden können, dass das Kindergeld an Şeyda abgezweigt wird (Formular KG 11e). Dies ist ein Sonderfall und an die Voraussetzung geknüpft, dass bei Auszahlung des Kindergeldes an die Eltern nicht gewährleistet ist, dass Şeyda davon profitiert (§ 74 EstG). Auch wenn die Abzweigung erfolgt, bleiben die Eltern grundsätzlich die Anspruchsberechtigten.

Şeyda hat während der dualen Berufsausbildung Anspruch auf BAB. Diese wurde nicht geltend gemacht, da die Pflegemutter darüber nicht informiert war. Das abgebrochene Studium steht dem nicht entgegen. Bei der Höhe des Anspruchs auf BAB spielt das Einkommen der Pflegeeltern, im Gegensatz zu dem der eigenen Eltern, keine Rolle. Sollte das
Ausbildungsgehalt und BAB nicht ausreichen, kann sie ergänzend Leistungen nach dem
SGB II (Bürgergeld) erhalten. Damit könnte sie auch eine Kaution durch das zuständige
Jobcenter bekommen.
Mit Beginn der Ausbildung ist Şeyda sozialversicherungspflichtig, gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1
SGB V. Sie ist dann selber gesetzlich krankenversichert und damit nicht mehr familienversichert über die Pflegeeltern.
Da sie dem Grunde nach BAB-berechtigt ist, erhält sie kein Wohngeld. Dies ergibt sich
aus § 20 WoGG.

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Care Leaver*innen verfügen über Erfahrungen in stationären Erziehungshilfen (Jugendwohngruppen, Pflegefamilien oder andere betreute Wohnformen) und befinden sich im Übergang aus diesen Hilfeformen in ein eigenverantwortliches Leben oder leben bereits in eigenem Wohnraum. Care Leaver*innen können nachgehend eine ambulante Betreuung in Anspruch nehmen oder in anderen Hilfesettings (z. B. Jugendsozialarbeit oder Eingliederungshilfe weiter begleitet werden).
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